Projekt 8 – Uni Paderborn, Fraunhofer IEM, TU Dortmund

Eigenschaftsorientierte Regelung von Verfestigungs- und Phasenumwandlungsprozessen beim Drücken und Drückwalzen metastabiler Austenite

Einleitung

Das übergeordnete Ziel des gesamten Forschungsvorhabens ist die Realisierung einer Eigenschaftsregelung innerhalb von Drückprozessen. Damit soll die lokal begrenzte und reproduzierbare Einstellung von physikalischen Bauteileigenschaften – in einem durch eine Vielzahl von Prozessparametern und einem wenig prädizierbaren Prozessverlauf geprägten Umfeld – möglich werden.

Durch eine gezielte Beeinflussung von Phasenumwandlungsprozessen bei der Fertigung sollen Hochleistungsbauteile entstehen, die definierte gradierte mechanische (Härte) bzw. ferromagnetische Eigenschaften aufweisen und so einen Mehrwert, z.B. im Hinblick auf eine sensorische Nutzung, bieten. Dabei werden sehr hohe Ansprüche an die örtliche Auflösung der Gradierung, aber auch die Form- und Maßhaltigkeit sowie die Oberflächenqualität bei gleichzeitig geforderter hoher Produktivität, Sicherheit und Flexibilität der Fertigung gestellt. Innerhalb des Drückprozesses sollen durch eine geregelte Prozessführung der Parameter Temperatur und Umformgrad lokal begrenzte Bereiche geschaffen werden, die ein vorgegebenes Eigenschaftsprofil möglichst genau und reproduzierbar erfüllen.

Ergebnisse der 1.  Projektphase

In der Förderperiode 1 erfolgten Grundlagenuntersuchungen innerhalb des Zylinderdrückwalzprozesses im Gegenlauf. Diese dienten der Identifikation von Einflussgrößen auf den sich einstellenden α‘‑Martensitgehalt in axiale sowie Umformgrad in radiale Richtung bei nahtlosen Rohren aus metastabilem austenitischen Edelstahl 1.4307 (AISI 304L). Die ermittelten Zusammenhänge zwischen Prozess- und Werkstück-Zielgrößen (α‘‑Martensitgehalt und Wanddicke) wurden in einem empirisch ermittelten Korrelationsmodell (Black-Box-Modell) abgebildet.

Auf Basis dieser Datenbank können die lokalen Werkstückeigenschaften von zu erzeugenden Bauteilen gezielt eingestellt werden. Auf diese Weise wurden erstmals Demonstratorrohre mit lokal definierten Werkstückeigenschaften hergestellt. Diese repräsentieren das techn. Ziel für FP1 und weisen in axiale Richtung lokal variierende und für das bloße Auge unsichtbare Gradierungen hinsichtlich des α‘‑Martensitgehalts und der Formänderungsverteilung bei identischem radialen Umformgrad auf („unsichtbarer Barcode“).
An den Bauteilen erfolgten Offline- und erste Online‑Charakterisierungen mit dem 3MA-II Sensor, dessen Funktionsprinzip auf dem Barkhausenrauschen beruht und dessen mikromagnetische Sensorparameter unter anderem mit dem α‘-Martensitgehalt korreliert sind.

Erste Ergebnisse zeigen, dass die kontaktlosen Messergebnisse über ein geeignetes Softsensormodell auf den α‘‑Martensitgehalt auf/im Werkstück schließen lassen können. Im Hinblick auf die Eigenschaftsregelung der Regelgrößen α‘-Martensitgehalt und Wanddicke ist eine geeignete Sensorvorrichtung am LUF (Universität Paderborn) entwickelt und validiert worden. Diese bietet Applikationsmöglichkeiten für die eingesetzten Sensoren zur Online-Messung der Regelgrößen (Laser‑Distanz‑Sensoren und 3MA‑II).
Für den Übergang vom datengetriebenen Black-Box- zum numerisch-gestützten Grey‑Box‑Modell wurde am LUF ein FEM Prozessmodell entwickelt, welches zukünftig im Sinne einer Vorausberechnung (Vorsteuerung) eingesetzt werden soll. Zur Kompensation der Prozessunsicherheiten wurde eine erste Eigenschaftsregelung der Wanddicke und des α‘-Martensitgehaltes modellbasiert entwickelt. Die Regelung der Wanddicke wurde bereits erfolgreich an der Versuchsanlage zur Probenherstellung eingesetzt und validiert.

Ziele der 2. Projektphase

In FP2 ist vor dem Hintergrund des übergeordneten Ziels eine Komplexitätssteigerung gegenüber FP1 vorgesehen.
Eines der verfolgten Teilziele ist der Übergang von axial (1D) zu axial und angular (2D) gradierten Strukturen auf Basis rohr- und perspektivisch blechförmiger Halbzeuge. In Bezug auf die herstellbaren Gradierungen und deren Online-Messung mittels des entwickelten Softsensors soll eine Steigerung der örtlichen wie zeitlichen Auflösung erfolgen.
Im Anschluss liegt der Fokus auf der Validierung der Softsensorik und Reglerstruktur sowie der Quantifizierung der erzielbaren Verbesserungen.

Sensorkonzept zur Online-Messung der Zielgrößen für eine Online-Regelung von axialen sowie axial und angularen Gradierungen

Kontakt

Lehrstuhl für Umformende und Spanende Fertigungstechnik der Universität Paderborn
Projektleiter: Prof. Dr.-Ing. Werner Homberg
Projektbearbeiter: Bahman Arian, M.Sc. / ba@luf.upb.de

Fraunhofer-Institut für Entwurfstechnik Mechatronik IEM
Projektleiter: Prof. Dr.-Ing. Ansgar Trächtler
Projektbearbeiter: Lukas Kersting, M.Sc. / lukas.kersting@iem.fraunhofer.de

Lehrstuhl für Werkstoffprüftechnik der Technischen Universität Dortmund
Projektleiter: Prof. Dr.-Ing. Frank Walther
Projektbearbeiter: Julian Rozo Vasquez, M.Sc. / julian.rozo@tu-dortmund.de